
Kriminalroman
Gier Royal
Die luxemburgische Finanzwelt steht unter Druck. Irland und andere europäische Finanzstandorte wetteifern um die Führung in der internationalen Fondsbranche und das große Geld. Um seine Vormachtstellung zu retten, lockt das Großherzogtum einen mysteriösen Portfoliomanager aus Hongkong ins Land. Dessen revolutionärer Fond, der in künstliche Intelligenz investiert, soll die Wende bringen. Doch nicht alle sind begeistert.
Jeff Biver, Luxemburger Lebemann, Abenteurer und ehemaliger Topmanager in der heimischen Finanzindustrie wittert Gefahr… Misstrauisch verfolgt er die Entwicklungen und stößt auf dunkle Machenschaften hinter der glänzenden Fassade.
Leseprobe
Schnellen Schrittes und mit zwei Kellnern im Schlepptau näherte sich der Oberkellner des Restaurants Emilys dem Empfangstresen.
Binnen kürzester Zeit hatte sich dort eine Traube ungeduldiger, elegant gekleideter Menschen gebildet, deren Blicke erwartungsvoll durch den Raum streiften.
Zur Mittagszeit wurde das Emilys zum Anlaufpunkt für Entscheidungsträger und jenen, die sich dazuzählten. Mit einer Mischung aus Glück und guten Beziehungen hatte man sich bereits vor Monaten eine Reservierung erkämpft.
Im Emilys kamen Vertreter der Finanzwelt, der Politik und Berater der in der Hauptstadt des Großherzogtums ansässigen Firmen und Institutionen zusammen, um sich gegenseitig in ihrer eigenen Bedeutung zu bestätigen.
Man tauschte Neuigkeiten aus, verbreitete Klatsch und Tratsch und sortierte die inoffizielle Rangliste der vermeintlich einflussreichsten Rivalen, während man gleichzeitig über die Legitimität der jüngsten Beförderungen debattierte, ob sie zu spät, zu früh oder vollkommen überraschend gekommen waren.
Luxemburg, ein kleiner Ort im Zentrum Europas, beherbergte einen global bedeutenden Finanzplatz, wo Hunderte von Mikrofirmen, meist Teile mächtiger internationaler Finanzunternehmen, eine Heimat fanden.
Um das Herz des Finanzplatzes am Schlagen zu halten, war eine Vielzahl von Beratungsfirmen erforderlich, die die ansässigen Finanzunternehmen dabei unterstützten, eine komplexe Regulatorik in praktikable Prozesse zu überführen, um so schwerwiegende Fehler zu vermeiden, die im schlimmsten Fall das weit entfernte Mutterhaus teuer zu stehen kommen oder dessen Ruf nachhaltig schädigen konnten.
Damit ließ sich hervorragend Geld verdienen. Dieses Kapital wurde wiederum eingesetzt, um das Luxemburger Geschäftsmodell am Laufen zu halten. Ein perfekt ausgeklügeltes System.
Alle diese Firmen benötigten Manager, und diese Manager strebten nach Titeln, die sie auf ihre Visitenkarten druckten und die wiederum eine inflationäre Geltungssucht schürten, um sich dann in der Größe der Leasingfahrzeuge, dem Gewicht luxuriöser Armbanduhren oder den stolzen Preisen edler Kalbslederschuhe widerzuspiegeln.
In einem Land, dessen Monarchie zum europäischen Hochadel gehörte, war es wichtig, Titel zu tragen, weil sie das Gefühl verliehen, dem Großherzog ein Stück näher zu sein.
Als gewählter Volksvertreter oder ansässiger Finanzmanager stand man in der Verantwortung, die Verwaltung so pragmatisch wie möglich zu gestalten und die Geldströme nicht versiegen zu lassen, um den Finanzplatz auch in Zukunft profitabel zu gestalten. Das Großherzogtum war schließlich der zweitgrößte Fondsstandort der Welt – gleich hinter New York City.
Dieser Anspruch fand beim Mittagsmenü im Emilys, das aus regionalen Blattsalaten mit lauwarmem Hummer, Steinbuttrücken mit Leoniekartoffeln oder einer knusprigen bretonischen Ente auf grünen Bohnen und einer guten Flasche Champagner bestand, seinen sichtbaren Ausdruck.
