Regional-Krimi
Wettlauf mit der Angst
Der renommierte Wissenschaftler für künstliche Intelligenz Professor Pius Borchard wird bestialisch ermordet. Der Mörder scheint schnell gefasst – noch am Tatort wird sein engster Mitarbeiter, Hugo Maniel, mit einem Messer in der Hand verhaftet. Maniel gelingt die Flucht, doch um seine Unschuld zu beweisen, muss er ein kompliziertes Rätsel lösen, das der Professor ihm noch mit auf den Weg gegeben hat. Versagt er, versinkt die Rhein-Main Region in einer unvorstellbaren Katastrophe.
Verfolgt von Spezialeinheiten der Polizei und einem blutrünstigen Auftragskiller, der mit allen Mitteln verhindern will, dass die Wahrheit ans Licht kommt, bleiben Maniel weniger als 24 Stunden Zeit, um in die mysteriöse Vergangenheit des Professors einzudringen und die Katastrophe zu verhindern.
Leseprobe
Maniel saß auf einem Kanapee in einem Salon, dessen Wände mit einer bordeauxroten Stofftapete ausgekleidet waren, und betrachtete ein Ölgemälde, das die Festungsanlage des kleinen Städtchens Saint-Malo in der Bretagne zeigte. Der Maler hatte sich entschieden den historischen Kern mit den wulstigen Wehrmauern vor dem Hintergrund der im Atlantik versinkenden Sonne darzustellen, was dem Bild eine gefühlsselige Note verlieh.
Maniel rieb die feuchten Hände gegeneinander, er hatte Schwierigkeiten sich zu konzentrieren. Unruhig rutschte er auf dem Polster hin und her, sein Magen rebellierte, und immer wieder sah er zum Korridor.
Er hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. In dem Moment, als er Delafon nach dem Versteck des Roboters gefragt hatte, stand Selou plötzlich mit grimmigem Blick im Türrahmen der Bibliothek und beendete das Gespräch. Maniel, zu überrascht, sich zu weigern, zögerte, doch Selous Gesichtsausdruck ließ keinen Anlass zum Zweifel, dass er es ernst meinte, und als Maniel Delafon blass und mit gedankenverlorenem Blick in ihrem Sessel sitzen saß, erkannte er die Sinnlosigkeit seiner Weigerung und beschloss, die Unterhaltung zumindest für den Moment zu unterbrechen. Danach war er Selou widerwillig in den roten Salon gefolgt.
Nun saß er hier in diesem Raum, und mit jeder Sekunde, die verging, wuchs seine Nervosität, während sein Blick ruhelos zwischen dem Gemälde und der Wanduhr hin und her wanderte.
Selou war verschwunden, und das einzige lebendige Wesen in seiner Nähe war eine schwarze Perserkatze, die es sich auf einem Plüschkissen in der Ecke bequem gemacht hatte und ihn neugierig begaffte, während sie sich dabei die Pfoten leckte.
Er ärgerte sich, Delafon nicht früher mit der Frage nach dem Versteck des Roboters konfrontiert zu haben, doch ihre Trauer um Borchard, Kolle und Maréchal und die damit verbundenen Erinnerungen an die gemeinsame Vergangenheit hatten ein sachliches Gespräch unmöglich gemacht. Er konnte es ihr nicht verdenken, sie hatte innerhalb kurzer Zeit alle verloren, die sie geliebt hatte.
Der Minutenzeiger der Wanduhr bewegte sich vorwärts, während die Katze dazu übergegangen war, sich über das Fell zu lecken.
Wo verdammt noch einmal war Selou? Er konnte Maniel nicht einfach in diesem roten Salon vergessen haben. Delafon hütete ein Geheimnis, und wenn sie es nicht bald preisgab, war es zu spät. Er wollte nicht den Rest seines Lebens, für ein Verbrechen, das er nicht begangen hatte, hinter Gittern sitzen. Die Polizei war ihm auf den Fersen, und früher oder später würden sie ihn in die Finger kriegen. Bereits während der Verhöre in Frankfurt hatte ihm keiner geglaubt, und nun, nachdem er geflohen war, würde ihm sowieso niemand mehr glauben. Selbst wenn der Roboter seine Todesmission zu Ende gebracht hatte, würde sich das nicht ändern. Im Gegenteil, wahrscheinlich würden sie sogar versuchen, ihm die Katastrophe in die Schuhe zu schieben.
Und je länger er mit diesem Gedanken spielte, desto glaubwürdiger erschien ihm seine Theorie.
Natürlich! Er, der Mörder von Borchard, Kolle und Maréchal. Zum Psychopathen hatte man ihn bereits abgestempelt, und nachdem der Roboter sein tödliches Werk vollbracht hatte, brauchte man einen Schuldigen, um die Öffentlichkeit ruhig zu stellen. Was läge also näher, als den Verrückten anzubieten, der zuerst seinen Vorgesetzten und danach dessen Freunde abgeschlachtet hatte? Solch einem Monster traute man alles zu, auch, dass er einen Roboter mit einem Programm ausstattete, dass einen Großflughafen in Schutt und Asche legte.
Mit einem Mal rang er nach Luft, hatte das Gefühl zu ersticken. Gierig atmete er Sauerstoff ein, während die Katze ihn mit großen Augen anglotzte. Ja, sie wusste Bescheid, wusste, dass er mit seinen Vermutungen richtig lag. Sicherlich hatte Selou bereits die Polizei verständigt, währenddessen er hier naiv in diesem Zimmer ausharrte und darauf hoffte, Delafon noch einmal zu Gesicht zu bekommen.
Und Borchard?
Seine Obsession, den Zufall aus der Welt zu verbannen, hatte ihn in die Hände eines russischen Oligarchen getrieben. Und seine lebensfremde Leichtgläubigkeit hatte ihn eine irrsinnige Wette eingehen lassen. Und um sein Gesicht auf der Weltbühne der Wissenschaft zu wahren, hatte er niemandem außer seinen Jugendfreunden davon erzählt. Selbst die Unterwerfung unter barbarische Terroristen nahm er dabei in Kauf.
Borchards Theorien einer zufallslosen Welt waren ihm wichtiger als alles andere, auch wenn dieser Starrsinn ihn und seine Freunde letztlich das Leben gekostet hatte. Borchard hatte zu keiner Zeit geahnt, worauf er sich eingelassen hatte, denn martialische Ideologien hatten in seinem Weltbild keinen Platz. Er verdrängte sie genauso wie er verdrängte, dass die Gehirne, die er entwickelte, in Kampfroboter eingesetzt wurden. Für ihn war künstliche Intelligenz keine Frage von Moral, und die Macht, die sich mit der künstlichen Intelligenz verband, wollte er nicht erkennen oder sie interessierte ihn nicht. Als man ihn schließlich zwang, die Realität zur Kenntnis zu nehmen, war es bereits zu spät.
Nun gab es nur noch Roquine Delafon. Die letzte Figur auf dem Schachbrett des Todes. Aber welche Rolle spielte sie? War sie Bauer oder doch Königin?
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12.80 €
Paperback
318 Seiten
13.9 x 20.3 cm
ISBN 978-3-96152-256-9
Schardt Verlag, 2019
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